Hörbuch LABYRINTH

Anne Galle liest "Leichte Annäherung."

Leichte Annäherung

Sie warfen ihre Hirtenstöcke weit durch die Luft, zwei junge Hirten und ihr alter Meister, bis dicht an die Felsen zu den aufklatschenden Brandungswellen.

Ich will erinnern. Das Werfen sehe ich deutlich. Ihre Schwünge, ihre Luftsprünge. Tiefe, kurz abgehackte Schreie entfuhren ihren Kehlen. Es war Frühling, die ersten Lämmer geworfen. Auch wenn es dieses Foto nicht gäbe, erinnerte ich manchmal ihre Schwünge und ihren Übermut. Frühlingstheater für die fremden Zuschauerinnen, die eine andere Sprache hatten.

Bald kommen sie nahe an unseren Strandplatz heran, wo wir zwischen den Felsblöcken, geschützt vor dem Wind, der über die Sandfläche fegt, unseren Proviant und unsere Kleider ausbreiten. Drei Frauen am Felsenstrand.

Ihre Herde haben sie am Hang zurückgelassen, nur den Hund nahmen sie mit zum Strand. Doch es ist nicht der Hund, für den sie den Stock werfen. Der sitzt und blickt in die Gegenrichtung. Dorthin, wo die Schafe weiden oder von wo Gefahr drohen könnte. Das tolle Spiel überlässt er seinen ausgelassenen Herren. Spuren von Schuhen im Sand messen die Entfernung zwischen der Abwurfstelle und dem Ziel in Gestalt von Jacke und Mütze.

Der Hirte, der seine Pelerine noch immer anbehält, die rechte Hand in der Hüfte, bestaunt die überschäumende Kraft des Alten. Die nährt sich aus dem aufmerksamen Blick der fremden Frauen. Wie der junge Hirte lacht, festgehalten in Schwarzweiß, verrät, er wird sich nicht entblößen.